Brennpunkt Vertrieb: der Alptraum für jeden Compliance Officer

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  • Neue Umfrage zeigt: 77 Prozent der Unternehmen wissen nicht, ob sich Vertriebsmitarbeiter an Gesetze, Richtlinien und interne Regeln halten
  • Bewusstsein für Korruption fehlt bei den meisten Vertriebsmitarbeitern

Rheinbach, 6. September 2016 – Eine gute Flasche Wein, eine Einladung in ein Sterne-Restaurant, Karten für ein Sportturnier – was ist ein angemessenes Geschenk unter Geschäftspartnern und was ein Bestechungsversuch? Gerade im Vertrieb, wo oft ein enges Verhältnis zwischen Kunde und Lieferant besteht, sind Grenzen mitunter unklar. Das kann für Unternehmen ein hohes Risiko darstellen. Denn eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov im Auftrag des Software-Anbieters Recommind hat ergeben: Viele Unternehmen haben ihre Vertriebsabteilungen nicht im Griff, wenn es um Compliance-konformes Handeln geht.

Eine Vielzahl an Korruptionsaffären hat in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass das Bewusstsein für Compliance gestiegen ist. Auf die Praxis im Vertrieb wirkt sich das bisher nicht aus. So sagt nahezu die Hälfte (44 Prozent) der befragten Vertriebsmitarbeiter: es ist wichtig oder sehr wichtig, Geschäftspartnern manchmal kleine Aufmerksamkeiten wie Geschenke zukommen zu lassen, um einen Geschäftsabschluss zu sichern. Fast genauso viele, nämlich 42 Prozent, bieten Geschäftspartnern Geschenke an. Und das ist durchaus gewollt: Knapp ein Drittel (31 Prozent) der Vertriebsmitarbeiter gibt an, von Vorgesetzten dazu angehalten zu werden.

Compliance-Regeln werden selten definiert und noch seltener überprüft

Aber nicht nur um Aufträge zu sichern, schenken Vertriebsmitarbeiter. Mehr als die Hälfte möchte sich bei ihren Geschäftspartnern mit einem Geschenk für eine gute Zusammenarbeit bedanken (52 Prozent). Jeder Vierte möchte dadurch eine Geschäftsbeziehung langfristig erhalten oder einfach Sympathie ausdrücken (22 Prozent). Das scheint auf den ersten Blick unproblematisch, kann aber für den Arbeitgeber zum Risiko werden. Denn nur 63 Prozent der Vertriebsmitarbeiter wissen, dass es Obergrenzen für den Wert von Geschenken zwischen Geschäftspartnern gibt. Eine Überschreitung dieser Grenzen hat nicht nur steuerliche Konsequenzen für das Unternehmen, sondern kann unter Umständen nach Bestechung aussehen.

„Losgelöst von steuerlichen Betrachtungen müssen Geschenke und Einladungen dem Anlass angemessen sein, und sollten zeitlich nicht in die Nähe von Vertragsentscheidungen fallen“, kommentiert Dr. Jochen Krieger, Professor für International Technical Sales von der Hochschule Aschaffenburg. „Es gilt Regeln, zum Beispiel im Rahmen einer Richtlinie für Geschenke und Einladungen zu definieren, die vom Vertrieb auch eingehalten werden können und zu keinem verdeckten Handeln der Mitarbeiter führen. Wenn zudem die Vertriebsmitarbeiter die Compliance-Regeln ihrer Kunden kennen, kann vermieden werden, dass Geschenke dort zu einer Last werden“.

Zu gewährleisten, dass man hier juristisch auf der sicheren Seite ist, ist Aufgabe der Compliance-Abteilung. Eigentlich – denn weniger als die Hälfte der Befragten (46 Prozent) gibt an, dass ihr Unternehmen ein Compliance-Regelwerk hat, das sie befolgen müssen. Von denen, die ein solches Regelwerk haben, überprüft nur die Hälfte regelmäßig dessen Einhaltung. Das bedeutet, dass gerade mal 23 Prozent der Unternehmen einen umfassenden Überblick über die Compliance-Praxis in ihrer Vertriebsabteilung hat. Oder anders ausgedrückt: 77 Prozent der Unternehmen wissen eben nicht, ob sich ihre Vertriebsmitarbeiter an Gesetze, Richtlinien und interne Regeln halten.

„In vielen Unternehmen fehlt eine stringente Definition und Umsetzung der Begrifflichkeiten Zielsetzung und Planung im Zusammenhang mit Compliance auf der einen Seite sowie Steuerung und Überwachung auf der anderen Seite,

„Die Compliance-Ziele müssen so transparent gestaltet werden, dass die Mitarbeiter im Nachgang auch wissen, was sie zu tun haben, dies verstehen und auch können: Dies ist die kognitive Komponente. Die emotionale Komponente besteht hingegen in dem Wollen zum pflichtgemäßen Verhalten“, erklärt Prof. Dr. Josef Scherer, Leiter des International Institute for Governance, Management, Risk & Compliance der Technischen Hochschule Deggendorf. „Diese emotionale Komponente wird jedoch leider im Zusammenhang mit Kultur, Bewusstsein sowie ‚Tone from the Top’ viel zu wenig angemessen beleuchtet. Sehr häufig befassen sich auch eher Juristen mit dieser Thematik, doch ist dies aus meiner Sicht eher eine Disziplin, mit der sich Marketingspezialisten und Psychologen beschäftigen sollten ganz nach dem Motto ‚Compliance muss sexy werden’“.

„Gerade in einem korruptionsanfälligen Bereich wie dem Vertrieb sollte rechtssicheres Handeln oberste Priorität haben“, ergänzt Hartwig Laute, Geschäftsführer bei Recommind Deutschland. „Es geht nicht darum, jede Schachtel Pralinen zu reglementieren. Aber wer nicht weiß, ob und welche Aufmerksamkeiten die eigenen Mitarbeiter ihren Geschäftspartnern zukommen lassen, wird womöglich mit bösen Überraschungen konfrontiert.“

Unsicherheit bei Vertriebsmitarbeitern

Und das Thema Compliance betrifft nicht nur die Unternehmen, die Geschäfte in Deutschland machen. Zwar ist laut Umfrage West- und Mitteleuropa die Weltregion, in der das wahrgenommene Korruptionsniveau am niedrigsten ist. Doch zeigen die Ergebnisse: Mitarbeiter, die nur mit inländischen Geschäftspartnern zu tun haben, orientieren sich deutlich seltener an einem Compliance-Regelwerk (38 Prozent). Mitarbeiter, die auch mit ausländischen Geschäftspartnern zu tun haben halten sich öfter an Richtlinien (53 Prozent). Zudem wissen 18 Prozent derer, die ausschließlich im deutschen Markt tätig sind, nicht, ob ihr Unternehmen überhaupt ein Compliance-Regelwerk hat. Bei den international tätigen Vertriebsmitarbeitern sind sich nur elf Prozent bei dieser Frage unsicher. „Dieses Jahr hat die Nichtregierungsorganisation Transparency International Deutschland auf Platz zehn der am wenigsten korrupten Länder der Welt eingeordnet. Das sollte uns jedoch nicht in falscher Sicherheit wiegen“, fügt Hartwig Laute hinzu. „Manche Gefälligkeiten werden von den Betroffenen nicht als Korruption wahrgenommen. Wenn aber die Öffentlichkeit und die Justiz das anders sieht, können Bußgelder, Schadenersatzforderungen und Imageschäden für die Unternehmen die Folge sein.“

Insgesamt steht Deutschland in den Augen der Befragten hinsichtlich Korruptionsanfälligkeit jedoch positiv da. So meinen 60 Prozent der Vertriebsmitarbeiter, dass man in Afrika ohne Bestechung nicht weiterkommt, gefolgt von Osteuropa (58 Prozent), Süd- und Mittelamerika (56 Prozent) sowie dem Mittleren Osten (48 Prozent). In Ostasien sehen immerhin 40 Prozent die Notwendigkeit für ein bisschen Nachhilfe beim Geschäftsabschluss. Am wenigsten korrupt sind nach Meinung der Befragten Mittel- und Westeuropa (13 Prozent), Nordeuropa (14 Prozent) und Nordamerika (15 Prozent).

Über die Umfrage

Im April 2016 hat das Marktforschungsunternehmen YouGov im Auftrag von Recommind 256 Vertriebsmitarbeiter in Unternehmen, Behörden und Non-Profit-Organisationen aller Größenordnungen online befragt. Etwa die Hälfte der Befragten arbeitet in Positionen mit Führungsverantwortung.

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Über Recommind 

Recommind ist einer der weltweit führenden Anbieter von E-Discovery-Lösungen und intelligenter Suchmaschinentechnologie. Neben Behörden und Großkanzleien setzen vor allem im deutschsprachigen Raum auch Medien- und Pharmaunternehmen, Automobilkonzerne und -zulieferer, Versicherungsgesellschaften und Forschungsinstitute Produkte von Recommind ein. Recomminds Lösung für E-Discovery-Prozesse werden insbesondere in kartellrechtlichen Untersuchungen, Compliance-Checks, sowie internen Audits, Revisionen und Analysen eingesetzt.

Seit der Gründung im Jahr 2000 findet die gesamte Kernentwicklung und Programmierung in der weltweit größten Niederlassung von Recommind in Rheinbach bei Bonn statt. Weitere Standorte sind London, New York, San Francisco, Boston und Sydney.

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Carolin Nillert
Oseon
Telefon: 49 (0)69-25 73 80 22-16
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