Ivermectin – das Krätzemittel gilt als potentiell wirksame Substanz bei Covid-19
Eines ist inzwischen klar, selbst durch die breite Verfügbarkeit von Impfstoffen wird das SARS-COV-2 Virus nicht mehr verschwinden. Bereits heute gibt es sogenannte Escape-Mutationen des Wildtyp-Virus, die durch die verfügbaren Impfstoffe nur bedingt erfasst werden. Durch die weltweite Verbreitung des Virus entsteht ein immer höherer Selektionsdruck, sodass unweigerlich weitere Mutanten entstehen werden. Damit das Virus schließlich seinen Schrecken verliert, werden neben Impfstoffen dringend auch Medikamente zur Behandlung einer COVID-19 Infektion benötigt.
Einige neue, aber auch altbekannte Substanzen sind so in den Fokus der Wissenschaft geraten. Remdisivir – ursprünglich als Ebola-Arznei erforscht – galt lange Zeit als Heilsbringer. Neuere Studien konnten die Wirksamkeit aber leider nicht bestätigen, sodass die WHO inzwischen sogar von einem Einsatz abrät. Hydroxychloroquin geriet ebenfalls sehr früh in den Fokus der Wissenschaft und wurde gar als Wundermittel gehypt. Auch hier konnten die Hoffnungen nicht erfüllt werden.
Seit Wochen wird nun ein weiteres altbekanntes Mittel diskutiert: Ivermectin. Ivermectin ist seit 40 Jahren als Antiparasitikum bekannt. In der Dermatologie wird es sowohl zur Behandlung von Wurmerkrankungen, Milbenbefall (Krätze) oder als Kopflausmittel verwendet. Seit Jahren sind auch antivirale und antientzündliche Eigenschaften bekannt.
Für die Entdeckung des Wirkstoffs Ivermectin wurde 2015 der Nobelpreis der Medizin verliehen. Seine Verdienste: Mit Ivermectin ist es gelungen, große Teile Afrikas und Südamerikas von der Flussblindheit zu befreien. Ivermectin ist sehr wirksam und gleichzeitig gilt es als sicheres, d. h. nebenwirkungsarmes, Medikament. Kaum ein Arzneimittel ist besser bekannt. Der US-amerikanische Pharmakonzern MSD gilt als Originator und stellt die Medikamente kostenfrei für Entwicklungsländer bereit. Das Programm ist bis heute die größte Arzneimittelspende der Welt.
Im April 2020 konnten Forscher der renommierten Monash Universität in Melbourne erstmals zeigen, dass das SARS-COV-2 Virus in Zellversuchen mit Hilfe von Ivermectin innerhalb von 48 Stunden zu 100 % eliminiert werden kann. Daraufhin begann die weltweite Forschung mit Ivermectin bei COVID-19.
Circa 60 Humanstudien sind bis Mitte Februar 2021 weltweit registriert. Dabei wird der Einsatz von Ivermectin sowohl zur Behandlung einer COVID-19-Infektion als auch zur Prophylaxe untersucht. Einige Studien sind bereits abgeschlossen, bei anderen werden innerhalb der nächsten Wochen Ergebnisse erwartet.
Was sagen die bisher veröffentlichten Studiendaten aus?
Insgesamt zeichnet sich ein positives Bild beim Einsatz von Ivermectin im Frühstadium der Infektion ab. Die Mehrzahl der Studien konnte einen dosisabhängigen Effekt beim Einsatz von Ivermectin auf die Dauer der Infektion, die Ausscheidungsrate des Virus und die Symptomatik zeigen. Auch die Schwere des Verlaufs und die Hospitalisieungswahrscheinlichkeit konnten gesenkt werden.
Die bisher ausgewerteten Studien werden allerdings aufgrund der Methodik, Größe und der Herkunftsländer hinterfragt. Daher wurde von Hill et al. im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO/Unitaid eine Meta-Analyse durchgeführt. Diese erschien als Preprint im Januar 2021.
Darin heißt es, dass insgesamt 18 randomisierte und kontrollierte Studien ausgewertet wurden. Die Autoren stellten ebenfalls fest, dass die Entzündungswerte unter Ivermectin gesenkt, sowie eine schnellere virale Clearance erreicht werden konnte. Darüber hinaus zeigte sich eine signifikante Reduktion der Dauer möglicher Krankenhausaufenthalte. In sechs der eingeschlossenen RCTs zeigte sich zudem bei moderat bis schwer erkrankten Patienten eine 75 prozentige Reduktion der Sterbewahrscheinlichkeit bei gleichzeitig verbesserter klinischer Erholung.
Allerdings weisen die Autoren zu Recht auch auf die Limitationen ihrer Arbeit hin: Manche der eingeschlossenen Arbeiten wurden noch nicht von anderen Wissenschaftlern geprüft, es wurden unterschiedliche Ivermectin-Dosierung und Behandlungsdauern untersucht und Patienten mit unterschiedlichen COVID-19 Schweregraden wurden eingeschlossen.
Seit Veröffentlichung dieser Meta-Analyse von Hill et al. sind eine Vielzahl der ausgewerteten Studien in einem unabhängigen Bewertungsverfahren (peer review) durch andere Wissenschaftler bestätigt worden. Zudem sind weitere Daten aus Studien bekannt geworden. Eine Publikation auf die die Wissenschaft gespannt wartet, ist die Arbeit von Professor Eli Schwartz aus Israel, als Spezialist für Tropenkrankheiten Gründungsmitglied der International Society of Travel Medicine und Vorsitzender des Professional Education Committee. Er hat in einer doppelblinden und Placebo-kontrollierten Studie jeweils circa 50 infizierte Probanden alle zwei Tage mit PCR-Tests untersucht. Die Gruppe, die Ivermectin erhalten hat, wurde mit üblichen Dosen an drei aufeinanderfolgenden Tagen mit dem Wirkstoff behandelt. Das primäre Ziel wurde erreicht. Signifikant mehr Probanden waren an Tag 6 virusfrei im Vergleich zur Placebogruppe. Diese Ergebnisse liegen bisher allerdings nur als Präsentation des Studienleiters vor.
Sollten sich diese Daten bestätigen, könnte dies einen enormen Einfluss auf das Pandemiegeschehen haben. Zum einen wären mit Ivermectin behandelte Patienten weniger lange ansteckend, zum anderen hätten sie eine deutlich niedrigere Wahrscheinlichkeit einen schweren Verlauf zu erleiden und müssten zudem wesentlich kürzer in Quarantäne.
Wird Ivermectin bereits in der Behandlung von COVID-19 Infektionen eingesetzt?
In den USA ist Ivermectin mit der Überarbeitung der Leitlinien vom 14. Januar 2021 als Therapieoption gelistet. Die Verordnungszahlen haben sich seitdem vervielfacht. Die Leitlinie verweist aber darauf, dass es aktuell noch zu wenige Daten gibt, um eine Empfehlung gegen oder für Ivermectin auszusprechen. Es obliegt somit der Entscheidung des Arztes.
In Südamerika wird Ivermectin bereits seit Mitte 2020 breit eingesetzt. Insbesondere in Peru, Kolumbien, Brasilien und Argentinien kommt es zum Einsatz.
In Afrika hat sich bisher vor allem Südafrika entschieden, den Import und den individuellen und patientenbezogenen Einsatz zu erlauben. Auch Simbabwe hat sich dieser Regelung inzwischen angeschlossen.
In der Europäischen Union hat die Slowakei als erstes Land den Einsatz von Ivermectin zur Behandlung als auch zur Prophylaxe zugelassen. Inzwischen haben sich auch Mazedonien und Bulgarien dieser Regelung angeschlossen. Da in diesen Ländern bisher kein zugelassenes Ivermectin-haltiges Arzneimittel existierte, wurde die Ware insbesondere aus Österreich bezogen. Da die österreichische Regierung aufgrund der enorm gestiegenen Mengen die Versorgung der eigenen Bevölkerung gefährdet sieht, wurde Ivermectin (Scabioral®) nach §4 (1) (Verordnung über die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung, BASG Österreich) am 12. Februar 2021 auf die Liste für Vertriebseinschränkungen gesetzt.
Kontroverse
In Deutschland ist der breite Einsatz von Ivermectin bei COVID-19 Infektionen noch nicht in der Breite empfohlen. Bisher wird Ivermectin zwar von beiden Fachgruppen des Robert Koch-Instituts, der STAKOB und der COVRIIN, als potentiell wirksame Substanz gelistet, aber der Einsatz wird lediglich im Rahmen klinischer Studien empfohlen. Noch will man weitere Daten abwarten. In den USA ist man etwas mutiger. Eine Allianz verschiedener Intensivmediziner mit der Bezeichnung FLCCC (Front Line COVID-19 Critical Care) macht sich seit Mitte 2020 für den Einsatz von Ivermectin stark. Sie sehen bereits ausreichende wissenschaftliche Evidenz. Am 14. Januar 2021 wurde die amerikanische Leitlinie bereits angepasst und steht seit dem neutral zum Einsatz von Ivermectin.
Inzwischen hat auch die Universität Oxford Ivermectin in ihre PRINCIPLE-Studie aufgenommen und auch die McMaster-Universität in Ontario/ Kanada hat eine durch die Bill und Melinda Gates-Stiftung finanzierte Ivermectin-Studie (TOGETHER TRIAL) begonnen. Ergebnisse werden bereits in zwei bis sechs Monaten erwartet.
Bis dahin schaut die Welt gespannt auf die Einschätzung der WHO/Unitaid. Aktuell sitzt man hier an einer Neubewertung, die täglich erwartet wird.
Ivermectin ist in Europa lediglich in Frankreich und Niederlande unter dem Markennamen Stromectol®, in Deutschland als Driponin®, in Österreich als Scabioral® und in Bulgarien als Huvemec® erhältlich.
Frederik Betz
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