Pflanzen auf dem Pfad zur Fitness
Veröffentlichung in Cell
20.06.2013 – Bioinformatiker um David Heckmann von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf simulieren die Evolution von Pflanzen. Am Computermodell zeigen sie, dass im Laufe der Evolution die Fitness von Pflanzen zunimmt, etwa durch effizientere Stoffwechselmechanismen. Diese evolutiven Wege können möglicherweise auch künstlich beschleunigt werden, um Pflanzen schneller an geänderte Umweltbedingungen anzupassen.
Evolutionsbiologen scheinen dazu verdammt, ausschließlich die Vergangenheit zu untersuchen. Ihr Ziel wäre es jedoch, aus dem Wissen über die Interaktion einer Tier- oder Pflanzenart mit ihrer Umgebung den Verlauf der Evolution über Jahrmillionen hinweg vorherzusagen.
Besonders interessiert die Anpassung auf sich ändernde Umweltbedingungen wie die CO2 Konzentrationen in der Atmosphäre. Dies ist heute besonders aktuell im Hinblick auf das sich wandelnde Weltklima. In der Natur benötigt die Evolution hierfür oft Millionen von Jahren.
In der neuesten Ausgabe des angesehenen Fachmagazins Cell stellen David Heckmann und Kollegen von der Abteilung Bioinformatik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ein Computermodell vor, mit dem sie die Evolution von Pflanzen vorhersagen können, ohne Jahrmillionen warten zu müssen. Das Modell hilft nicht nur, die Evolution von Pflanzen in der Erdgeschichte zu verstehen. Die Modellvorhersagen zeigen auch Wege auf, wie die Evolution beschleunigt werden kann. Konkretes Ziel ist es dabei, landwirtschaftlich wichtigen Pflanzen wie Reis dabei zu helfen, schneller zu wachsen, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.
Das Computermodell bildet die relevanten chemischen Vorgänge beim Stoffwechsel und der Photosynthese in einer bestimmten Klasse von Pflanzen nach. Durch simulierte Mutationen lässt sich mit dem Modell die Evolution vom einem ursprünglichen, weniger effektiven Stoffwechsel (‚C3 Photosynthese’) zu der effizienteren Version (‚C4 Photosynthese’) nachvollziehen. Für die C4 Photosynthese entwickelten die Pflanzen eine interne Pumpe, die die CO2 Konzentration innerhalb bestimmter Zellen erhöht: genau um die molekularen Maschinen herum, die CO2 aus der Luft einfangen und in Zucker umwandeln.
Um Mutationen in echten Pflanzen zu simulieren, wurden zufällige Veränderungen an dem Modell vorgenommen. Heckmann und Kollegen untersuchten daran, wie sich die Mutationen auf die Wachstumsgeschwindigkeit der Pflanze auswirken. Sie fanden heraus, dass sich die Abfolge evolutionärer Veränderungen zwischen verschiedenen simulierten Pflanzen sehr ähnelt.
Man kann sich die Abfolge von Veränderungen als Pfade vorstellen, die in einer imaginären Landschaft nach oben streben. Der höchste Gipfel entspricht der fittesten Pflanze. Überraschenderweise ähnelt diese Landschaft dem japanischen Berg Fuji: ein einfacher Kegel ohne Täler oder Felsspalten; von jedem Punkt aus führt ein Schritt nach oben automatisch in Richtung Gipfel. Dies heißt: von jedem Entwicklungsstand aus gibt es Mutationen, die die Pflanze fitter machen. Indem sie die Eigenschaften echter Pflanzen aus verschiedenen Familien mit ihrem Modell verglichen, fanden die Forscher, dass die Pflanzen tatsächlich den vorhergesagten Pfaden durch die imaginäre Landschaft folgten.
Der Leiter der Studie, Prof. Dr. Martin Lercher, sagt dazu: „Es ist wie im richtigen Leben: Der erste Schritt ist der schwerste. Wenn Pflanzen einmal auf dem Weg zur effizienteren Photosynthese sind, dann passieren die späteren Schritte relativ schnell.“
Die Modellstudien haben einen praktischen Nutzen. Prof. Lercher dazu: „Unser Modell hilft Pflanzenzüchtern bei der Entscheidung, welche Sauerstoffkonzentration und Temperatur sie in ihren Gewächshäusern einstellen sollten, um die Pflanzen dazu zu bringen, sich sehr viel schneller in ertragreichere Sorten zu entwickeln.“ Man kann aber auch gezielt nachhelfen: Gerade der erste, langsamste Schritt könnte mit gentechnischen Verfahren erfolgen. Die nächsten, schnelleren Schritte können dann über herkömmliche Züchtungsverfahren gelingen.
Originalartikel
Heckmann et. al., „Predicting C4 photosynthesis evolution: modular, individually adaptive steps on a Mount Fuji fitness landscape”, Cell, 20. Juni 2013
Kontakt
Prof. Dr. Martin Lercher
Informatik – Abteilung Bioinformatik
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Tel.: 0211/81-10546
E-Mail: lercher@cs.uni-duesseldorf.de
Dr.rer.nat. Arne Claussen
Stabsstelle Kommunikation
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Universitätsstraße 1
40225 Düsseldorf
Tel.: 49 211 81-10896
Fax: 49 211 81-15279
arne.claussen@hhu.de
www.hhu.de
Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) ist seit 1965 die Universität der Landeshauptstadt und eine feste Größe in der deutschen Hochschullandschaft.
An ihrer Medizinischen, Mathematisch-Naturwissenschaftlichen, Philosophischen, Wirtschaftswissenschaftlichen und Juristischen Fakultät studieren über 23.000 Studierende. Im Fokus der wissenschaftlichen Forschung stehen traditionell die Lebenswissenschaften. Zuletzt konnte im Rahmen der „Exzellenzinitiative“ von Bund und Ländern die Förderung eines Exzellenzclusters in der Pflanzenzüchtungsforschung gewonnen werden.
Mehr zur HHU im Internet unter www.hhu.de.
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