„Ich komme mit vielen offenen Fragen zurück“
Studentin der Sozialarbeit verbrachte drei Monate im Red Cross War Memorial Hospital in Kapstadt
Villingen-Schwenningen/Offenburg, den 20. August 2020. Sechs Studentinnen des dualen Studiengangs für Soziale Arbeit machten sich im Dezember 2019 auf den Weg nach Kapstadt in Südafrika. Wir sprachen mit einer davon. Natalie Schoch, die den praktischen Teil ihrer Ausbildung an der MEDICLIN Klinik an der Lindenhöhe absolviert, berichtet über ihre drei Monate im Klinikum Red Cross War Memorial Children’s Hospital.
Frau Schoch, können Sie uns etwas über das Klinikum in Kapstadt erzählen?
Das Red Cross War Memorial Children’s Hospital (RCCH) wurde 1956 gegründet. Als erstes Krankenhaus der Subsahara machte es sich zur Aufgabe, eine rein pädiatrische Versorgung anzubieten. Heute werden in diesem Krankenhaus rund 250.000 Kinder pro Jahr versorgt! Vorwiegend sind die Lebensbedingungen dieser Kinder von Armut, Ausgrenzung und mangelhaften Lebensbedingungen geprägt. Nicht nur Kinder aus der Region, sondern auch aus anderen afrikanischen Ländern werden an das RCCH überwiesen.
Wie kam es zu Ihrem dreimonatigen Praktikum?
Ich hatte die Ausschreibung für das Praktikum auf der Seite der DHBW Villingen-Schwenningen entdeckt. Frau Professor Doktor Anja Teubert initiierte das Projekt.
Für den praktischen Teil meiner Ausbildung war ich ja bereits zwei Praxissemester in Offenburg, an der Klinik an der Lindenhöhe. Da wir ohnehin an mehr als einem Standort praktischer Erfahrung sammeln müssen, habe ich mich um diesen Platz in Kapstadt beworben. Mein Anleiter in Offenburg, Matthias H. Werner, hat das sehr befürwortet. Er hat auch angestoßen, dass die Klinik an der Lindenhöhe mich während meinem Aufenthalt finanziell unterstützt. Tatsächlich hat MEDICLIN meinen Aufenthalt mit einem großzügigen Zuschuss gefördert.
Was hat Sie an diesem Auslandsaufenthalt besonders gereizt?
Der Kontinent Afrika hat mich schon länger interessiert. Mir war aber bewusst, was für ein unglaublich sensibles Thema solch ein Auslandspraktikum ist. Vor allem vor dem Hintergrund der Apartheid in Südafrika. Das ist alles noch nicht lange her und die Folgen sind noch immer spürbar. Ich wollte nicht hinkommen mit dem Bild im Kopf: Da kommt jetzt eine weiße, junge Frau und rettet Leute. Aber natürlich wollte ich erst einmal vor allem eines: Helfen.
Wie war es dann vor Ort?
Ehrlich gesagt - meine Sicht auf so ein Praktikum hat sich um 180 Grad gewandelt. Dieses Helfen-Wollen relativiert sich recht schnell! Ich hatte viel mit dem Thema Kindeswohlgefährdung zu tun, unter anderem ging es um Gewalt und Verdacht auf sexuellen Missbrauch. Für Außenstehende ist da die Beobachterrolle die bessere, weil die dortigen Lebensbedingungen nur allmählich verstanden werden und die sozialen Probleme neu und komplex sind. Man kann keine Probleme lösen, wenn man das Land und die Leute nicht kennt. Es war einfach die beste und verantwortungsvollste Position, als Beobachterin von den Sozialarbeitern vor Ort zu lernen. Ich habe also beobachtet, habe den Erzählungen und Erklärungen der vor Ort lebenden Menschen zugehört, habe gelesen und mir vieles angeeignet. Den unterschiedlichen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern bei der Arbeit zuzusehen und die Motive hinter ihrer Arbeit zu erfahren, war unglaublich lehrreich.
Es muss sehr belastend sein, mit solchen Themen konfrontiert zu werden. Wie konnten Sie sich da abgrenzen?
Da sprechen Sie ein zentrales Thema für die soziale Arbeit an. Wir kamen mit sehr schlimmen Lebensgeschichten in Kontakt, für die es auch keine einfachen Lösungen gab. Es war ganz, ganz wichtig, über diese Fälle und wie es einem damit geht, zu reden. Wir haben darüber viel in der Gruppe reflektiert. Es gab einen Ansprechpartner, wenn uns Dinge zu sehr belasteten. Immer freitags gab es auch eine Supervision auf der Station. Der Termin war verpflichtend. Es war klar geregelt, dass es da immer jemanden gab, mit dem wir reden konnten.
Wie funktionierte das denn mit der Sprachbarriere, bei den Fällen, die Sie begleitet haben?
Wir wurden vor allem dahin mitgenommen, wo überwiegend Englisch gesprochen wurde. Aber das konnte man vorher nicht immer wissen. Manchmal verfielen die Beteiligten in eine der vielen Landessprachen, vor allem Afrikaans oder Xhosa. Afrikaans konnte ich teilweise verstehen, wegen der niederländischen Einflüsse. Xhosa verstehe ich gar nicht. Dennoch war es interessant, auch diese Gespräche zu verfolgen und die non-verbalen Interaktionen zu beobachten.
Was haben Sie in Ihrer Zeit in Südafrika über dieses Land und seine Menschen gelernt?
Ich würde mir nach den drei Monaten in Südafrika nie eine Meinung zu diesem höchst komplexen Land erlauben. Es wäre vermessen, mir das herauszunehmen. Ich komme mit vielen offenen Fragen zurück. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist vor allem in Kapstadt unglaublich groß und das hat leider immer noch viel mit der Hautfarbe zu tun. Ich möchte auf jeden Fall noch einmal nach Südafrika. Unsere Anleiterin vor Ort sagte, dass wir uns jederzeit bei ihr melden können und sie wird schauen, ob sie etwas möglich machen kann. Aktuell kann ich wegen Corona keine konkreten Pläne machen. Wir haben es im März quasi mit dem letzten Flieger aus dem Land geschafft. Deswegen waren auch die drei Wochen Urlaub, die ich anschließend an das Praktikum geplant hatte, nicht mehr möglich.
Was nehmen Sie aus dieser Zeit noch mit?
Mit meinen Kommilitoninnen sind ganz enge Freundschaften entstanden, weil wir uns so intensiv über unsere Erlebnisse ausgetauscht haben. Meine Erfahrungen haben mich unheimlich sensibel für Rassismus gemacht und es gibt weiterhin noch viel zu lernen zu diesem Thema, auch in Deutschland. Was für mich jetzt klar ist: Meine Einstellungen überdenke ich wirklich immer drei, vier Mal, weil es einfach nicht notwendigerweise mit der Realität übereinstimmt. Es bringt aber auch nichts, alles durch die Brille der kulturellen Unterschiede zu sehen. Natürlich muss man kultursensibel sein. Aber vor allem geht es um den Menschen, den man vor sich hat. Es ist wichtig zu fragen: Was braucht dieser Mensch? Es geht darum, Probleme in ihrer Komplexität zu erkennen, anzugehen und dem Menschen konkret bei der Bewältigung zu unterstützen.
Das Gespräch mit Frau Schoch führte Gerda Schwarz
Pressekontakt:
Gerda Schwarz
MEDICLIN Unternehmenskommunikation
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Telefon 0781 / 488-245
E-Mail: gerda.schwarz@mediclin.de
Über die MEDICLIN Klinik an der Lindenhöhe
Die MEDICLIN Klinik an der Lindenhöhe in Offenburg ist ein Akutkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik für Erwachsene, Kinder und Jugendliche. Die Klinik verfügt über 173 Betten und beschäftigt rund 350 Mitarbeiter.
Zur MEDICLIN Klinik an der Lindenhöhe gehören außerdem eine Tagesklinik und eine psychiatrische Institutsambulanz am Standort Offenburg sowie eine Tagesklinik und eine psychiatrische Institutsambulanz für Kinder und Jugendliche am Standort Rastatt.
Über MEDICLIN
Zu MEDICLIN gehören deutschlandweit 36 Kliniken, sieben Pflegeeinrichtungen und neun Medizinische Versorgungszentren. MEDICLIN verfügt über knapp 8.500 Betten/ Pflegeplätze und beschäftigt rund 10.500 Mitarbeiter.
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