Wieder Leben statt nur „Überleben“
„Dem ganz normalen Leben wieder näher kommen“: Königsfelder Albert Schweitzer-Rehaklinik weitet Hilfeangebot auf Teilkunstherz-Implantate aus
Chefärztin Tanya Nedoklanova-Dimitrova erläutert die Funktionsweise des Teilkunstherz-Implantats „Heartmate III“ mit externem Steuergerät und Akkus.
Königsfeld, 23. Dezember 2024. Weihnachten, Silvester, Neujahr. Die Festtage sorgen bei schwerst Herzerkrankten immer wieder für die Frage, ob es diesmal das letzte Mal ist. Angesichts des Spenderorganmangels ist die Frage berechtigt. Herzinfarkte, Herzmuskelentzündungen, die Implantationen von neuen Herzklappen, Schrittmachern, Defibrillatoren, Bypässen – die Liste an möglichen Gründen für einen Rehaaufenthalt in der bekannten Fachklinik für Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen im Schwarzwald-Baar-Kreis ist lang. Aus ganz Deutschland stammen die Patientinnen und Patienten, um nach der akuten klinischen Behandlung drei bis fünf Wochen eine fachlich gut abgestimmte kardiologische Rehabilitation zu absolvieren und sich fit zu machen, für das weitere Leben.
Ähnlich verhält es sich mit Lungenerkrankten im Bereich der Pneumologie der Klinik. Dort kommen Patientinnen und Patienten mit Lungentumoren, Lungenentzündungen und -embolien, COPD, Asthma, Mukoviszidose und weiteren Erkrankungen zur Rehabehandlung. Früh engagierte sich die Klinik mit ihren 290 Betten und rund 185 Mitarbeitern auch in der Behandlung von Long-/ Post-Covid und hat inzwischen als deutschlandweite Post-Covid-Schwerpunktklinik im Konzern der MEDICLIN mehr als 2.000 Patienten versorgt.
Nahtlose Versorgung nach Teilkunstherz-Implantat
Aufgrund des sehr guten fachlichen Renommees trat in der zweiten Jahreshälfte die Universitätsklinik Tübingen und das Robert Bosch-Krankenhaus Stuttgart an die Königsfelder Rehaklinik heran, Patient*innen mit Teilkunstherz-Implantaten eine Rehabilitation zu ermöglichen. Königsfeld, einstiger Wohnort des weltbekannten Arztes Albert Schweitzer, nach dem die Klinik auch benannt ist, wäre damit eine der wenigen bundesweiten Orte, an dem so etwas möglich ist.
„Man kann da nicht einfach ja sagen“, so Tanya Nedoklanova-Dimitrova, Chefärztin der Königsfelder Kardiologie. Es brauche eine umfangreiche medizinische wie auch technische Schulung für die Ärzt*innen, den Pflegebereich, die Therapeut*innen und Sozialdienstmitarbeiter*innen. Auch das weitere Personal müsse gut fortgebildet sein, um mit der besonderen Problematik vertraut zu werden und Berührungsängste zu verlieren. Inzwischen ist das bereits geschehen. Schon vier Patient*innen mit Teilkunstherz haben eine Reha in Königsfeld im Spätherbst und beginnendem Winter erfolgreich abgeschlossen.
„Heartmate“: zuverlässige Unterstützung bei Herzerkrankungen
Vieles lässt sich heute medizinisch gut behandeln. Sind Arterien im Herzen verengt, hilft fast immer -sofern dies rechtzeitig geschieht- ein Stent. Die Implantation der Gefäßstützen gleicht subjektiv schon fast jener einer Zahnfüllung, obwohl der technische Hintergrund dennoch ein sehr komplexer ist. Die Patient*innen sind bei vollem Bewusstsein, können dem Geschehen zusehen und sind meist danach schon wieder mobil. Bei einem Teilkunstherz sieht dies gänzlich anders aus: Schon vor Jahrzehnten versuchte man kleine Pumpen zu implantieren, scheiterte damit allerdings regelmäßig - meist entstanden im Betrieb lebensgefährliche Blutgerinnsel. Anders als bei bisherigen Versuchen besitzt das Heartmate III der amerikanischen Firma Abbott keine Achse zwischen Antrieb und Rotor. Der kleine Propeller schwebt innerhalb des etwa Fahrradklingel großen runden Gehäuses frei im Blut und wird durch Magnete sowohl angetrieben als auch in der Lage stabilisiert. Damit ist ein zuverlässiger Betrieb gewährleistet. Das Gerät unterstützt die linksseitige Hälfte des Herzens. Diese stellt den Schwerarbeiter des Herzens dar. Während die rechte Seite das Blut „nur“ zur Lunge pumpt, muss die linke Herzkammer das Blut in den ganzen Körper vom Gehirn bis hin zum großen Zeh‘ schicken. Gelingt dies bei Herzinsuffizienz nicht mehr, ist das Weiterleben in Gefahr. Fachleute sprechen von einem linksventrikulären Herzunterstützungssystem, kurz LVAD (left ventricular assist device). Aber woher kommt die Energie? Ein Kabel in der Bauchdecke bringt den lebensnotwendigen Strom. Zwei Akkus liefern ihn über einen Controller. Sie sind in einer Tasche oder mittels Halterung unter den Armen zu tragen. „Damit wird den Patient*innen trotz der lebensbedrohlichen Erkrankung ermöglicht, sich ganz normal wieder zu bewegen und am öffentlichen Leben teilzuhaben“, erläutert Nedoklanova-Dimitrova. Selbst Wanderungen sind oftmals wieder möglich.
Der Name „Heartmate“ des LVAD ist im Englischen gut gewählt: „Partner“ oder auch „Kumpel“. Ohne Transplantation wäre für Betroffene das Leben zu Ende, mit dem elektrischen „Kumpel“ kann es weitergehen und erstmals nach Jahren massiver Leistungseinschränkungen sogar wieder wesentlich flotter.
Reha: leben lernen mit dem elektrischen „Kumpel“
„In der Reha werden die Patient*innen nach der OP wieder an das Leben herangeführt“, so die Kardiologin. Hierzu gehören unter anderem alltägliche Aktionen, welche bislang nicht mehr möglich waren, wie die Benutzung von Treppen oder Spazieren zu gehen. Das Ganze mit enger Überwachung der Körperfunktionen wie auch des Geräts.
Erlernte Routinen müssen im Alltag sitzen: das Desinfizieren und Pflegen der Eintrittsöffnung im Bauchraum oder die verlässliche Ladung der Akkus. Fehler könnten hier schnell das Ende des Lebens bedeuten.
Nicht zu unterschätzen ist auch die psychologische Komponente: Mit einem solchen Gerät künftig zu leben, stellt eine große Umstellung dar. Massive Ängste können auftreten, Schlaflosigkeit oder auch Gefühle der Entfremdung. So haben die Patient*innen beispielsweise keinen Puls mehr. Das LVAD pumpt -anders als das Herz- kontinuierlich und nicht in Schüben. Die Aufgabe der Krankheitsverarbeitung sei groß, so die Kardiologin, aber machbar. „In der Reha können wir die Betroffenen psychisch gut stabilisieren und auch in diesem Bereich fit für den künftigen Alltag machen.“ Auch andere medizintechnische Unterstützungssysteme wie beispielsweise mobile Sauerstoffgeräte oder Defibrillatoren zur Verhinderung von Herzstillständen erforderten eine aktive Auseinandersetzung mit Krankheit, Therapie und Lebensführung. Ein beruflicher Wiedereinstieg ist mit dem LVAD oftmals sogar wieder möglich. Hier hilft der Sozialdienst der Klinik. Beratung zu eventuellen finanziellen Hilfen, der beruflichen Wiedereingliederung und weiteren Unterstützungen geben Betroffenen auch hier Sicherheit.
Beim dem rund 70.000 Euro teuren LVAD-System werde im Vorfeld genauestens eruiert, wer für eine Implantation geeignet sei, so die Chefärztin. Das Herz müsse stark geschädigt, jedoch der sonstige körperliche Zustand noch weitestgehend gut sein, um die komplizierte OP und das spätere Leben damit möglich zu machen. Auch müssen Patient*innen die technischen Schulungen umsetzen können und psychisch so stabil sein, dass man mit einem solchen Gerät über einen langen Zeitraum leben könne - bis zur späteren Transplantation eines Spenderherzens, vielleicht auch gänzlich ohne. Die Geschichte der modernen Teilkunstherzen zeigt, dass so manche Patient*innen sogar später auf ein Spenderherz verzichteten und dem „Herzkumpel“ treu blieben.
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Über die MEDICLIN Albert Schweitzer Klinik und MEDICLIN Baar Klinik
Die MEDICLIN Albert Schweitzer Klinik / MEDICLIN Baar Klinik vereint drei Fachdisziplinen unter einem Dach: die Fachklinik für Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen, die Fachklinik für Atemwegserkrankungen, Allergien und Schlafmedizin und die Fachklinik für Psychosomatik und Verhaltensmedizin. Die Schwerpunkte liegen in der Behandlung von Adipositas, Schlafstörungen und Mukoviszidose. Außerdem bietet die Klinik eine interdisziplinäre Post-Covid-Rehabilitation zur Behandlung von Patient*innen mit Langzeitfolgen von Covid-19 an. Die Klinik verfügt über 290 Betten und beschäftigt rund 160 Mitarbeiter*innen.
Zum MEDICLIN-Standort Königsfeld gehört auch die MEDICLIN Seniorenresidenz Hermann-Schall-Haus.
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Über MEDICLIN
Zu MEDICLIN gehören deutschlandweit 32 Kliniken, sechs Pflegeeinrichtungen und zehn Medizinische Versorgungszentren. MEDICLIN verfügt über rund 8.300 Betten/ Pflegeplätze und beschäftigt rund 10.000 Mitarbeiter*innen.
In einem starken Netzwerk bietet MEDICLIN den Patient*innen die integrative Versorgung vom ersten Arztbesuch über die Operation und die anschließende Rehabilitation bis hin zur ambulanten Nachsorge. Ärzt*innen, Therapeut*innen und Pflegekräfte arbeiten dabei sorgfältig abgestimmt zusammen. Die Pflege und Betreuung pflegebedürftiger Menschen gestaltet MEDICLIN nach deren individuellen Bedürfnissen und persönlichem Bedarf.
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