Wieder lernen zu kommunizieren

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Tritt nach einer Hirnschädigung eine Aphasie auf, sind Betroffene in Ihrer Kommunikation eingeschränkt. Sie erlernen langsam wieder Sprechen, Lesen, Schreiben und Verstehen.

Dr. Alfons Meyer beantwortet Fragen zum Thema Aphasie im MEDICLIN-Podcast "Ihr Gesundheitsratgeber"

Soltau, 7. November 2023. Der Begriff „Aphasie“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt Sprachlosigkeit. „Tatsächlich bedeutet eine Aphasie aber nicht, dass man ohne Sprache ist, sondern, dass man eine Sprachstörung erworben hat. Das heißt, die Betroffenen haben keine angeborene Sprachstörung, sondern sie konnten einmal unbeeinträchtigt sprechen, schreiben, lesen und kommunizieren und können es aufgrund der Aphasie nicht mehr“, erklärt Dr. Alfons Meyer, Chefarzt der Fachklinik für neurologische Rehabilitation im MEDICLIN Klinikum Soltau. 
Er ergänzt: „Es gibt hier unterschiedliche Schweregrade, leichte und schwere Formen bis hin zur Unfähigkeit der Kommunikation.“

Schlaganfall ist Hauptursache für Aphasie
Die häufigste Ursache für eine Aphasie ist der Schlaganfall, aber auch Hirnentzündungen, Hirntumoren, Hirnverletzungen sowie Demenz können zu Aphasie führen. Eine Aphasie betrifft nicht immer nur das Sprechen, sondern „alles, was verbale Kommunikation angeht. Also Sprachverstehen, Schreiben, Lesen“, sagt Meyer. Aber Sprachstörungen sind nicht gleich Sprachverständnisstörungen. Von Aphasie Betroffene leiden am meisten darunter, dass sie ihre Gefühle, ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse nicht äußern können. „In der Akutphase, also zum Beispiel direkt nach einem Schlaganfall, ist die Aphasie am stärksten ausgeprägt. Hier unterscheidet man erst einmal nur zwischen einer flüssigen oder nicht-flüssigen Aphasie. Also, kann der Patient oder die Patientin einen flüssigen Satz sprechen, dann handelt es sich um eine flüssige Aphasie, dabei ist egal ob dieser Satz verständlich ist. Ist nur wenig oder gar keine Äußerung möglich, dann spricht man von einer nicht-flüssigen Aphasie“, erklärt Meyer. 

Danach, also etwa vier bis sechs Wochen nach dem Schlaganfall, kann man mit dem sogenannten Aachener Aphasietest die Störungsbilder einordnen. Man unterscheidet folgende Formen:  

  • Die Globale Aphasie ist die schwerste Form, Betroffene können kaum oder gar nicht sprechen. Die Störung beeinträchtigt das Sprachverständnis und in der Regel auch die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben. 
  • Bei der Broca-Aphasie (motorische Aphasie) ist es Betroffenen nicht möglich, flüssig zu sprechen und komplette Sätze zu bilden, sie sprechen in einer Art „Telegrammstil“. Das Sprachverständnis ist dagegen in der Regel weitgehend ungestört.
  • Bei der Wernicke-Aphasie ist der Redefluss gut erhalten, manchmal sogar gesteigert. Dagegen ist das Sprachverständnis und häufig auch das Störungsbewusstsein für die Sprachstörung stärker beeinträchtigt. Betroffene verstehen häufig auch einfache Wörter nicht. Das bedeutet, sie können zwar flüssig sprechen, das Gesprochene aber nicht mit Inhalt füllen.
  • Patient*innen mit Amnestischer Aphasie zeigen oft nur leichte Defizite. Hauptsymptom sind Wortfindungsstörungen. Oft verwenden sie Statthalterwörter wie „Ding“, „das da“ oder „es“.

Das Allerwichtigste ist Geduld im Umgang mit Aphasikern 
„Wir sehen nicht selten, dass auch langjährige Partnerschaften an dieser gestörten Kommunikation zerbrechen. In der Akutphase sind die Partner*innen der Betroffenen verzweifelt und fragen sich: Wie wird unser gemeinsames Zusammenleben weitergehen? Kommt mein Partner oder meine Partnerin überhaupt noch ohne mich zurecht? Muss ich meine Freiheiten aufgeben?“, berichtet Meyer. Man müsse dabei aber auch sehen, dass die Sprachstörung der ersten Wochen nicht die Sprachstörung nach sechs Monaten sei, sagt er. Das Allerwichtigste ist, dass die Angehörigen – ob Partner*in, Familie oder Freund*innen – Geduld haben. 

Wie sieht die Therapie aus? 
In der Anfangsphase geht es in erster Linie darum, die Patient*innen zu animieren und zu motivieren, ihre Sprache zu nutzen. In der Rehabilitation beginnen Therapeut*innen an der Sprachsystematik zu arbeiten. Welche Übungen gemacht werden, hängt davon ab, welche Art der Sprachstörung vorliegt. „Intensive Sprachtherapie ist die einzig wirksame, zwischen fünf und zehn Stunden pro Woche sollten es etwa sein“, sagt Meyer und ergänzt: „Erst einmal ist eine stationäre Therapie sinnvoll. Nach der Anschlussheilbehandlung kann auch eine ambulante Therapie in einer logopädischen Praxis ausreichend sein.“

Der richtige Umgang mit Betroffenen
„Im Grunde sollte man sich genauso verhalten, wie man sich im Umgang mit Menschen ohne Aphasie verhält. Denn die Aphasie ist keine im engeren Sinne hochgradige kognitive Störung, auch wenn Betroffene unter Umständen unbedarft, vielleicht für den ein oder anderen dumm erscheinen mögen, sie sind nicht dumm! Sie bekommen alles ganz genauso mit und sind zu allen Gefühlen fähig wie gesunde Menschen auch. Die Kommunikation sollte offen, frei und unbeschwert sein und man sollte geduldig sein, denn unter Druck klappt es erfahrungsgemäß mit der Kommunikation nicht“, erklärt Meyer.

Um im Alltag wieder zurecht zu kommen, wird im MEDICLIN Klinikum Soltau unter anderem die sogenannte Real-Life-Therapie angewandt: Dabei werden Patient*innen in Alltagssituationen gebracht, um zu lernen mit dem Druck umzugehen, der sie im normalen Leben erwartet.

Podcast-Staffel: Gesundheitsratgeber von MEDICLIN-Expert*innen für Betroffene
Das gesamte Interview zum Thema Aphasie können sich Interessierte im MEDICLIN-Podcast anhören. In der fünften Staffel „Ihr Gesundheitsratgeber“ klären MEDICLIN-Expert*innen über verschiedenste Krankheiten auf. Die Folgen erscheinen im zweiwöchigen Rhythmus. Zu hören sind sie auf Podcast-Plattformen wie Apple, Spotify, Google Podcasts, Deezer und Amazon Music. Die heute erschienene Folge „Aphasie“ finden Interessierte auch auf der Übersichtsseite: https://www.mediclin.de/podcast-uebersicht/der-mediclin-podcast-ihr-gesundheitsratgeber/ 

 

Pressekontakt:
Judith Boateng

Pressereferentin
MEDICLIN Unternehmenskommunikation
Okenstr. 27
77652 Offenburg
Telefon 0781 / 488-245
E-Mail-Kontakt

Über das MEDICLIN Klinikum Soltau
Das MEDICLIN Klinikum Soltau ist ein Kompetenzzentrum für die Fachgebiete Orthopädie, Neurologie, Geriatrie, spezielle Schmerztherapie sowie Psychosomatik. An die Abteilung für neurologische Frührehabilitation ist eine Weaning-Station angegliedert, die die schrittweise Entwöhnung der Patient*innen von der maschinellen Beatmung ermöglicht. Hierbei arbeiten Spezialist*innen verschiedener Fachdisziplinen eng abgestimmt zusammen. Das Klinikum verfügt über 372 Betten und beschäftigt rund 415 Mitarbeiter*innen. Zum MEDICLIN-Standort Soltau gehört neben dem Klinikum auch das MEDICLIN MVZ Soltau.

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Über MEDICLIN
Zu MEDICLIN gehören deutschlandweit 32 Kliniken, sechs Pflegeeinrichtungen und zehn Medizinische Versorgungszentren. MEDICLIN verfügt über rund 8.300 Betten/ Pflegeplätze und beschäftigt rund 10.000 Mitarbeiter*innen.
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