„Medien, die sich verschließen, werden irrelevant“
Fake News sind auf dem Vormarsch, alte Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr. Überall wächst der Druck auf Zeitungen und Magazine. Dennoch: Die Digitalisierung per se gefährdet den Journalismus nicht. Im Gegenteil: sie bietet enorme Chancen. Philipp Graf Montgelas, Geschäftsführer DACH und Chief Expansion Officer bei Readly, der Flatrate für Magazine, über digitale Medien-Plattformen, neue Märkte und seinen Glauben an die Qualitätspresse.
Apple will das “Netflix des Journalismus” werden. Wie gefährlich ist das für Readly?
Es ist ein positives Zeichen, wenn ein Schwergewicht wie Apple in Zeiten von Fake News in Qualitätsjournalismus investiert. Diese Investition bringt schlagartig neue Dynamik und mehr Wettbewerb in den Markt der digitalen Zeitschriften-Abo-Dienste. Weltweit werden Konsumenten das Modell der Magazin-Flatrate viel eher wahrnehmen und ausprobieren. Millionen von Amerikanern werden zukünftig die Texture-App vorinstalliert auf ihrem iPhone oder iPad finden – das hat gleich eine ganz andere Dimension!
Apple würde das Content-Angebot gerne um drei der renommiertesten US-Zeitungen ergänzen. Warum gibt es bei Readly nur Magazine?
Aktuell sehen wir das größte Potenzial im Magazinmarkt. Dieses Modell funktioniert in all unseren Märkten sehr gut. Sowohl für die Verlage als auch für die Leser. Wir haben in Schweden in der Anfangszeit mit Flatrates für Zeitungen unsere Erfahrungen gemacht. Das hat nicht funktioniert, was nicht heißt, dass das immer so bleiben muss. Magazine und Zeitungen sind sehr schwer zusammenzubringen. Die Monatsabos der Tagespresse liegen häufig bei 50 Euro. Das würde unser Geschäftsmodell, das sowohl für Verlage als auch für Nutzer sehr attraktiv ist, durcheinanderwerfen. Aber vor allem muss man sich einfach die Frage stellen, wieviele Menschen denn wirklich mehr als ein bis zwei Zeitungen täglich lesen.
In welche Richtung bewegt sich die Transformation des Magazin-Marktes?
Es ist aktuell unvorstellbar schwierig, im Netz zwischen wahren und unwahren Informationen zu unterscheiden. Quellen werden nicht mehr geprüft, Sätze, selbst wenn sie z. B. im Kontext einer Satire erschienen sind, aus dem Zusammenhang gerissen und tausendfach geteilt. Der Druck auf die Medien, Sachverhalte einzuordnen und in verständlicher Sprache zu erklären wächst. Die Leser sehnen sich nach Marken, die für Qualitätsjournalismus stehen. Der Weg führt meiner Meinung nach hin zu verlässlichen Bezahl-Angeboten. Auch das Boulevard-Medium ist ein Qualitätsmedium. Unser großer Anspruch ist, die wertvollen Inhalte ohne großen Aufwand für die Verlage und nutzerfreundlich auf einer einzigen digitalen Plattform anzubieten. Ich denke, die Digitalisierung bietet immense Chancen – insbesondere für den Qualitätsjournalismus.
Es gibt Zeitschriften, die kosten am Kiosk bereits 10 Euro – bei Readly bekomme ich 3.300 Titel innerhalb einer Flatrate. Kann sich das für Verlage rechnen?
Die Frage ist doch, was von den 10 Euro eines im Kiosk verkauften Mediums tatsächlich bei den Verlagen hängen bleibt – nach Rücklauf der nicht verkauften Magazine, Abzug von Produktionskosten, Steuer, Handel und Fixkosten, z. B. für Nationalvertrieb oder Personal. Da landen Sie am Ende im einstelligen Prozentbereich. Wer diese Rechnung macht, sollte sie also ehrlich machen. Readly bietet Verlagen völlig umsonst Extra-Umsatz und mit der Analytics Funktion wichtige Learnings über die digitale Transformation des Magazin-Marktes. Laut Studien, wie z. B. jener von pv digest und dem Finanzen Verlag, findet Kannibalisierung selbst bei hochpreisigen Magazinen quasi nicht statt. Vielmehr erreicht man neue Zielgruppen: beispielsweise die Millionen von Menschen, die es gewohnt sind, hochwertige Inhalte im Netz kostenlos zu lesen. Readly überzeugt sie, für Qualitätsjournalismus zu bezahlen. Es gibt in meinen Augen keinen Grund dafür, nicht mit uns zu reden. Ich denke sogar, dass Medien, die sich verschließen, über kurz oder lang irrelevant werden.
Readly hat vor zwei Wochen 10 Millionen Euro eingesammelt und will das Geld für rasches Wachstum in neuen Märkten nutzen Sie verantworten die internationale Expansion bei Readly. Gibt es dieses Jahr noch Neuzugänge?
Wenn man unsere Stellenausschreibungen liest, könnte man meinen, ja. Ganz im Ernst: Ziel ist auf jeden Fall, dieses Jahr noch mindestens einen neuen Markt zu launchen.
Haben Sie es mittlerweile leichter, Verlage zu überzeugen?
Ja, haben wir. Zum einen hat sich in der Verlagswelt selbst einiges getan, seit wir vor fünf Jahren begonnen haben. Die Offenheit, neue Modelle auszuprobieren, nimmt zu. Zum zweiten kommt Readly mit einem guten Ruf aus den bereits existierenden Märkten. Wir haben bewiesen, dass wir mit hunderten nationalen und globalen Verlagen erfolgreich zusammenarbeiten können. Und zuletzt lässt sich sicherlich feststellen, dass sich unser Modell in anderen Bereichen wie Musik und Film bereits durchgesetzt hat und daher als erfolgsversprechend gilt.
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