Apotheker Dr. Andreas Schädlich: Weltenbummlerei gegen Luxus Heimat Erzgebirge getauscht
Erzgebirge/Schneeberg. „Heimat vermisst man immer.“ Den Gedanken, irgendwann ins Erzgebirge zurückzukehren hatte Apotheker Dr. Andreas Schädlich nie verloren. Dabei schlugen in den letzten Jahren zwei Herzen in seiner Brust: eins für die pharmazeutische Forschung, das andere für die elterlichen Apotheken in Schneeberg. Im Juli vergangenen Jahres fiel die Entscheidung für die Heimat. Motivation war natürlich die Verantwortung für das Familienunternehmen. Einen großen Anteil tragen aber auch seine beiden Töchter, die nun behütet im ländlichen Raum aufwachsen können. Mit der Rückkehr ins Erzgebirge schließt sich ein familiärer Kreis.
Vom Gymnasium aus hatte Andreas Schädlich als Schüler immer die Merkur Apotheke gegenüber im Blick. Quasi zwischen labortechnischen Geräten und Verkaufstresen wuchs er nach dem Unterricht auf. Denn gleich nach der Wende übernahmen seine Eltern die Löwen Apotheke in Schneeberg-Neustädtel als eine der ersten, die damals privatisiert wurde. 1995 kam schließlich die Merkur Apotheke dazu. Es waren schwierige aber auch spannende Jahre, die er als junger Mensch erlebte, verlangte die mutige Selbstständigkeit der Eltern doch der ganzen Familie viel ab. Nach der Schule schloss sich der Zivildienst beim kommunalen Umweltamt an. Mit dem Start des Studiums der Pharmazie an der Martin-Luther-Universität in Halle an der Saale ging der tägliche Kontakt mit Chemie und deren Strukturen in die Tiefe. Im Praxisjahr lernte Herr Schädlich dann beide Seiten der Pharmazeutenkarriere kennen – ein halbes Jahr in einer öffentlichen Apotheke, das andere in der Forschung, im Bereich pharmazeutische Technologie. Mit Leidenschaft forschte Schädlich die nächsten Jahre bis zur Promovierung in einem Team, um vor allem Medikamente zur Behandlung von onkologischen Erkrankungen zu optimieren.
Mit pharmazeutischen Forschungsthemen auf Reise um die Welt
„Als ich zum Studium ging, wollte ich eigentlich so schnell wie möglich zurück ins Erzgebirge“, erinnert sich Andreas Schädlich. Wie so oft im Leben, kam manches anders. Die vielen Möglichkeiten, die Aussicht auf spannenden Themen in der Forschung hielten ihn in Halle – und seine jetzige Frau Annekatrin, auch Apothekerin, die er im Studium kennenlernte. So kam er bald nicht mehr wöchentlich heim, sondern Halle wurde immer mehr der Lebensmittelpunkt. Nach der Promovierung stellten sich beide die Frage, wo es nun hingehen soll. Familiengründung stand vorerst nicht auf dem Plan. „In die Apotheke wollte ich noch nicht– ich wollte zunächst etwas erleben, Großstadt spüren“, blickt der 37-Jährige zurück. Aber: Der Pharmamarkt, der sehr abhängig von politischen Entscheidungen ist, war schon damals schwer einzuschätzen. Die Wahl fiel schließlich auf Frankfurt/Main – einerseits, weil dort Annekatrins Eltern berufsbedingt leben, andererseits wegen der konzentrierten Pharmaindustrie vor Ort mit ungeahnten Möglichkeiten für weitere Qualifikationen. Die vier Jahre in Frankfurt glichen einer Reise um die Welt mit regelmäßigen „Auslandseinsätzen“ in Großbritannien, Indien, den USA und vielen anderen Ländern. Heute sagt er über diese Zeit: „Hektik, viele Autos, Ellenbogenmentalität. Das Leben in der großen Stadt war stressig trotz toller 70qm-Wohnung. Die Fahrt zur Arbeitsstelle dauerte 40 Minuten – innerhalb einer Stadt. Die viel umworbene Verkehrsinfrastruktur sieht in der Praxis nüchtern aus, wenn man in der Rushhour nur schleppend von Ampel zu Ampel vorankommt. Und an einen Hauskauf war bei den Preisen gar nicht zu denken.“
Das Lebenswerk der Eltern als Ruf aus der Heimat
„Entscheidungen sind immer abhängig von den eigenen Zielen“, weiß der Apotheker heute. Und so setzte mit der Geburt der ersten Tochter das gedankliche Umplanen bei Familie Schädlich ein. Das Thema „Heimat“ rückte in den Vordergrund zulasten der beruflichen Karriere. Zu dem Zeitpunkt, als sich vor drei Jahren die erste Tochter auf den Weg machte, stand der Schneeberger auf der Karriereleiter schon weit oben. Dank vieler Weiterbildungen und einem berufsbegleitenden Studium der Gesundheitsökonomie in Bayreuth war er im Pharmaunternehmen zum Abteilungsleiter aufgestiegen. Nach oben blieb noch etwas Luft, Chancen weltweit lockten. Mit ihnen kamen bohrende Fragen: Möchte ich mein Kind aufwachsen sehen oder weiter heimatlos unterwegs sein? Was möchte ich für mein Leben noch erreichen? Die Apotheken im Erzgebirge dominierten gedanklich immer mehr, zumal aufgrund der anstehenden Altersruhe der Eltern das Thema Unternehmensnachfolge zusätzlich ins Spiel kam. „Man kann nicht alles hinschmeißen, was die Eltern als Lebenswerk mühsam aufgebaut haben“, so Andreas Schädlich.
Die Rechnung des Lebens: Pro Leben auf dem Land
Seit 2016 führt Dr. Andreas Schädlich zwei von etwa noch 20.000 Apotheken deutschlandweit. Der klassische Apothekenmarkt ist im Zeitalter des anonymen Onlinekonsums hart umkämpft. Und trotz aller Widrigkeiten ist sich der Erzgebirger sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Sich zukunftsorientiert aufstellen, Zeit für den Kunden nehmen, persönlich beraten, Herzlichkeit leben, all das ist möglich in einer Apotheke im ländlichen Raum und bietet ihm mit seinen 15 Mitarbeitern viel Potential. Die letzten Monate waren hart: Ankommen in der für ihn alten und für die Frau neuen Heimat, zwei kleine Kinder, die Übernahme der Apotheken. Für Hobbies blieb bisher wenig Zeit. Ein kleines Haus zur Miete im Nachbardorf, wo die Kinder sicher im eigenen Garten toben, der Erholungsraum Natur direkt vor der Tür sorgen für den seelischen Ausgleich. Neudeutsch würde man sagen: Die Work-Life-Balance ist im Flow. Andreas Schädlich sagt das so: „Das Erzgebirge hat eine tolle Lebensqualität. Ich schaue täglich auf die sanften Berge und lebe doch mitten in einer florierenden und spannenden Industrieregion“. Dass man in Frankfurt höhere Einkommen hat, bestreitet er nicht, sei aber auch kein Argument zum Dortbleiben. Denn die Rechnung müsse man komplett machen: „Von einer Wohnungsmiete in Frankfurt am Main kann ich im Erzgebirge ein ganzes Haus mieten“, stellt er dar und fügt das Beispiel Kindergartenplätze an, die hier nicht nur bezahlbar sondern auch flexibel in den Betreuungszeiten sind.
„Man muss sich im Leben immer vor Augen halten, was man hat“, resümiert der Familienvater. In den erzgebirgischen Städten sei das eine ganze Menge, hätten diese doch in den letzten Jahren sehr an Attraktivität gewonnen, betont er weiter. „Von Kindergarten bis zum Gymnasium, Läden mit allen Dingen, die man braucht, eine faszinierende Natur, gelebte Traditionen in vielen Vereinen, die Großstädte um die Ecke – was braucht man mehr zum Leben?“ Und dann gibt es doch noch eine Sache, die Andreas Schädlich aus seiner Zeit in der Großstadt nicht loslassen kann: die Pharmaindustrie. Mit seinem Nebenjob dort bleibt er dieser doch noch verbunden. „Das erweitert immer wieder meinen Horizont und ich bekomme einen neuen Blick auf meine Arbeit in der Apotheke.“
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