MILLENNIUM TECHNOLOGY PRIZE FÜR PIONIERE DER DNA-SEQUENZIERUNG
- Das britische Professorenduo Shankar Balasubramanian und David Klenerman wurden für die Entwicklung revolutionärer DNA-Sequenzierungs-Verfahren mit dem Millennium Technology Prize ausgezeichnet.
- Die Next-Generation-Sequenzierungstechnologie (NGS) ermöglicht ein Ablesen von DNA-Sequenzen in extrem kurzer Zeit.
- Das bringt einen enormen gesellschaftlichen Nutzen, von der Unterstützung im Kampf gegen tödliche Krankheiten wie COVID-19 oder Krebs bis hin zu einem besseren Verständnis von Pflanzenkrankheiten und der Verbesserung der Nahrungsmittelproduktion.
- Sauli Niinistö, Präsident der Republik Finnland und Schirmherr des Preises überreichte den Preis am 18.5.2021 im Rahmen einer virtuellen Zeremonie.
Die an der Universität Cambridge tätigen Chemiker Shankar Balasubramanian und David Klenerman wurden heute als Gewinner des Millennium Technology Prize 2020 bekanntgegeben. Der alle zwei Jahre vergebene Millennium Technology Prize ist einer der weltweit renommier-testen Wissenschafts- und Technologiepreise.
Die mit 1 Million Euro dotierte weltweite Auszeichnung wird seit 2004 alle zwei Jahre vergeben, um die weitreichenden Auswirkungen von Forschung und Innovation auf das Wohl der Gesell-schaft hervorzuheben. Die Bekanntgabe der Preisträger 2020 wurde aufgrund der COVID-19-Pandemie auf den heutigen Tag verschoben.
Die Professoren Balasubramanian und Klenerman erfanden gemeinsam die Solexa/Illumina Next Generation DNA-Sequenzierung (NGS), eine Technologie, die durch eine schnelle, akkurate und kostengünstige Hochdurchsatz-Genomsequenzierung – ein Verfahren zur Ermittlung der kom-pletten DNA-Sequenz der genetischen Zusammensetzung eines Organismus – unser grundlegendes Verständnis des Lebens verbessert und die Biowissenschaften zur „Big Science“ gemacht hat. Um die Technologie in der Welt umfassender verfügbar zu machen, gründeten sie das Unternehmen Solexa.
Die Technologie hatte – und hat weiterhin – enorme transformative Auswirkungen in den Bereichen Genomik, Medizin und Biologie. Das Ausmaß der durch die Technologie ermöglichten Veränderungen wird unter anderem daran deutlich, dass sie im Vergleich zur ersten Sequen-zierung des menschlichen Genoms eine millionenfache Verbesserung der Geschwindigkeit und der Kosten ermöglicht hat. Im Jahr 2000 dauerte die Sequenzierung eines menschlichen Genoms über 10 Jahre und kostete mehr als eine Milliarde, sprich 1 000 000 000 USD. Heute lässt sich das menschliche Genom an einem Tag zu einem Preis von 1.000 Dollar sequenzieren, und jährlich werden dank der von den Professoren Balasubramanian und Klenerman erfundenen Technologie mehr als eine Million menschlicher Genome sequenziert. Das bedeutet, dass wir Krankheiten heute viel besser und viel schneller verstehen können.
Und so funktioniert es
Beim NGS-Verfahren wird die Proben-DNA in viele kleine Stücke fragmentiert, die auf der Oberfläche eines Chips fixiert und lokal amplifiziert werden. Jedes Fragment wird dann auf dem Chip mit Hilfe von fluoreszierend gefärbten Nukleotiden, die mit Hilfe eines Enzyms zugesetzt werden, Base für Base dekodiert. Durch Erkennen der an jeder Chip-Position eingebauten farbko-dierten Nukleotide mit einem Fluoreszenzdetektor – und eine mehrere hundertfache Wiederho-lung dieses Zyklus – ist es möglich, die DNA-Sequenz jedes einzelnen Fragments zu bestimmen.
Die gesammelten Daten werden dann mit einer hochentwickelten Computersoftware analysiert, wonach aus den Sequenzen all dieser Fragmente die vollständige DNA-Sequenz zusammen-gesetzt wird. Dank seiner Fähigkeit Milliarden von Fragmenten parallel zu sequenzieren, ist das NGS-Verfahren schnell, akkurat und äußerst kosteneffizient. Die Erfindung von NGS war ein absolut revolutionärer und neuartiger Ansatz für das Verständnis des genetischen Codes in allen lebenden Organismen.
Beitrag zum weltweiten Kampf gegen COVID-19
Die Next Generation-Sequenzierung ist ein effektives Mittel zur Untersuchung und Identifizierung von neuen Coronavirus-Stämmen und anderen Krankheitserregern. Nach dem Auftreten der Pandemie begann man damit, die Technologie einzusetzen, um neuartige Coronavirus-Muta-tionen zu erfassen und zu erforschen, die weltweit ein zunehmendes Problem darstellen. Diese Arbeit hat zur Entwicklung mehrerer, jetzt weltweit verabreichter Impfstoffe beigetragen und ist entscheidend für die Entwicklung neuer Impfstoffe gegen neue gefährliche Virusstämme. Die Ergebnisse werden außerdem auch zur Vorbeugung gegen künftige Pandemien genutzt werden.
Die Technologie ermöglicht es außerdem Wissenschaftlern und Forschern, personenbezogen zugrunde liegende Faktoren zu identifizieren, die zur jeweiligen Immunantwort auf COVID-19 beitragen. Diese Informationen sind wichtig, um den Grund dafür zu entschlüsseln, warum manche Menschen viel schlechter auf das Virus reagieren als andere. Die Ergebnisse dieser Studien werden von unschätzbarem Wert sein, wenn es darum geht, zu verstehen, wie man das Risiko minimieren kann, dass Menschen übersteigerte Entzündungsreaktionen entwickeln, von denen man jetzt weiß, dass sie für einige der Symptome von COVID-19 verantwortlich sind.
Auswirkungen auf Gesundheitsfürsorge und Diagnostik im weiteren Sinn
Die NGS-Technologie hat die weltweite biologische und biomedizinische Forschung revolu-tioniert und die Entwicklung einer breiten Palette von damit verbundenen Technologien, Anwendungen und Innovationen ermöglicht. Dank ihrer Effizienz wird NGS heute sowohl im Gesundheitswesen als auch in der Diagnostik z. B. bei Krebs, seltenen Krankheiten, Infektions-medizin und sequenzierungsbasierten nicht-invasiven pränatalen Tests in großem Umfang eingesetzt.
Das Verfahren wird zunehmend verwendet, um die Risikogene für Patienten mit einer seltenen Krankheit zu definieren sowie jetzt auch, um neue Wirkstofftargets für innovative Therapien bei häufigen Krankheiten in definierten Patientengruppen festzulegen. NGS hat auch einen Beitrag zur Entwicklung neuer und leistungsfähiger biologischer Therapien wie Antikörper- und Genthe-rapien geleistet.
Bei Krebskrankheiten entwickelt sich NGS zum Standard-Analyseverfahren für die Festlegung von individualisierten therapeutischen Behandlungen. Die Technologie hat unser grundlegendes Verständnis der genetischen Grundlagen vieler Krebsarten dramatisch verbessert und wird heute häufig sowohl für klinische Tests zur Früherkennung als auch zur Diagnostik von Tumoren und Blutproben der Patienten eingesetzt.
Auswirkungen im Bereich der Biologie
Neben medizinischen Anwendungen hat sich NGS in wesentlichem Maße auch auf die gesamte Biologie ausgewirkt, da das Verfahren eine eindeutige Identifizierung von Tausenden von Organismen aus nahezu jeder beliebigen Art von Probe ermöglicht. Dies ist heute von entschei-dender Bedeutung für Forschungen im Bereich der Landwirtschaft, Ökologie und Biodiversität.
Akademieprofessorin Päivi Törmä, Vorsitzende des Auswahlkomitees für den Millennium Technology Prize:
„Das Zukunftspotenzial von NGS ist enorm und die Nutzung dieser Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. Die Technologie wird ein entscheidendes Element bei der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung durch die Individualisierung der Medizin, das Verständnis und die Bekämpfung von tödlichen Krankheiten und damit der Verbesserung der Lebensqualität sein. Prof. Balasubramanian und Prof. Klenerman sind würdige Gewinner des Preises.“
Der Millennium Technology Prize wurde jetzt zum ersten Mal für dieselbe Innovation an mehr als einen Preisträger vergeben, wodurch auch unterstrichen wird, wie wichtig Kollaboration ist.
Professorin Marja Makarow, Vorsitzende der Technology Academy Finland:
„Kollaboration ist ein wesentliches Element, wenn es darum geht, positive Veränderungen für die Zukunft zu erreichen. Die Next Generation-Sequenzierung ist ein perfektes Beispiel dafür, was durch Teamarbeit und das Zusammenwirken von Personen mit unterschiedlichem wissenschaft-lichen Hintergrund bei der Lösung eines Problems erreicht werden kann.
Die von Prof. Balasubramanian und Prof. Klenerman entwickelte Technologie hat auch eine entscheidende Rolle bei der Entschlüsselung der Sequenz des Coronavirus gespielt, was wiederum die Entwicklung von Impfstoffen ermöglichte – an sich schon ein Triumph grenzüberschreitender Zusammenarbeit – und dazu beitrug, neue COVID-19-Varianten zu identifizieren.“
In einer gemeinsamen Erklärung sagten Prof. Shankar Balasubramanian und Prof. David Klenerman:
„Wir sind erfreut und geehrt, die zehnten Empfänger des Millennium Technology Prize zu sein. Dies ist das erste Mal, dass wir als Anerkennung unserer Entwicklung dieser Technologie einen internationalen Preis erhalten. Der Preis gebührt allerdings nicht nur uns, sondern dem gesamten Team, das eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung der Technologie gespielt hat, und allen, die uns auf unserem Weg inspiriert haben.“
Von den neun bisherigen Gewinnern des Millennium Technology Prize haben drei später einen Nobelpreis erhalten.
Morgen, am 19.5.2021 um 16.30 Uhr OESZ halten die Professoren Balasubramanian und Klenerman im Millennium Innovation Forum einen Millennium Technology Prize-Festvortrag. Hier geht es zum Festvortrag.
Hinweise für Redakteure:
- Entwicklungsgeschichte der Next Generation-Sequenzierung:
1994: Die Professoren Shankar Balasubramanian und David Klenerman beginnen zusammen an der Konzeption eines neuen Verfahrens zur DNA-Squenzierung zu arbeiten. Ihr Verfahren basiert auf der parallelen Sequenzierung einer großen Anzahl von DNA-Molekülen an einer Oberfläche, um einen stark miniaturisierten und schnellen DNA-Sequenzer herzustellen.
1997: Frühe Berechnungen geben Anlass zur Annahme, dass der Ansatz skalierbar ist und so die Sequenzierung von Milliarden von DNA-Basen in nur wenigen Tagen und auf einem einzigen Gerät ermöglicht, was die schnelle Sequenzierung eines menschlichen Genoms erlauben würde.
1998: Zur Vermarktung ihrer Innovation melden die Professoren Klenerman und Balasubramanian mehrere wichtige Patente an und gründen gemeinsam die Solexa Ltd. Das erste menschliche Genom, das mit dieser Technologie sequenziert wurde, wird veröf-fentlicht.
2007: Die Technologie wird von Illumina, Inc. erworben und weiter optimiert, um Billionen von DNA-Basen pro Experiment zu sequenzieren. Die Technologie hat weiterhin transformative Auswirkungen in den Bereichen Genomik, Biologie und Medizin.
- Hier können Sie sich ein Video über die Gewinner des Millennium Technology Prize 2020 anschauen und hier können Sie Fotos von den Gewinnern herunterladen.
- Der Millennium Technology Prize ist eine mit einer Million Euro dotierte globale Auszeichnung, die alle zwei Jahre für eine innovative technologische Pionierleistungen verliehen wird, die die Lebensqualität verbessert und nachhaltige Entwicklung fördert. Die preisgekrönten Innovationen müssen sich in hohem Maße sozial positiv auswirken, wirtschaftlich tragfähig sein und das Wohlergehen der Menschheit fördern. Der Millennium Technology Prize wird von der Technology Academy Finland verliehen.
- Frühere Preisträger des Millennium Technology Prize:
- Sir Tim Berners-Lee (2004), für das World Wide Web;
- Professor Shuji Nakamura (2006), für die Herstellung der ersten erfolgreichen blauen Leuchtdioden, der letzte Schritt zur Schaffung eines brillant weißen LEDs;
- Professor Robert Langer (2008), für seine innovative Arbeit zur kontrollierten Abgabe von Medikamenten, bei der die Wirkstoffe nach und nach im Körper des Patienten abgegeben werden;
- Professor Michael Grätzel (2010), für die Entwicklung der dritten Generation von Farbstoffsolarzellen, die sich für stromerzeugende Fenster und kostengünstige Sonnenkollektoren eignen;
- Gemeinsame Auszeichnung (2012): Professor Shinya Yamanaka, für die Erforschung von Entwicklung ethischen Stammzellen; und Linus Torvalds für sein quelloffenes Betriebssystem Linux, auf dessen Grundlage heute Android Smartphones, Tablets, digitale TV-Recorder und Supercomputer in aller Welt arbeiten;
- Prof. Parkin (2014) für die Entwicklung höherer Datenspeicherkapazitäten, wodurch sich die Speicherkapazität magnetischer Festplatten um ein Tausendfaches erhöhte;
- Dr. Frances Arnold (2016), für ihre Arbeit an der gerichteten Evolution; und
- Dr. Tuomo Suntola (2018), für die Entwicklung der Atomic Layer Deposition, ALD, die die Herstellung von nanoskaligen dünnen Materialschichten für Mikroprozessoren und digitale Speichereinheiten ermöglicht und dadurch zur Revolutionierung der Smartphones beitrug.
- Medienkontakte und Interviewanfragen:
Alex Jungwirth, Apollo Strategic Communications
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Tel. +44 (0) 795 895 5795
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