Am 15. Mai ist internationaler Tag der Familie: Der Weltvogelpark berichtet von Rabeneltern, Patchworkfamilien und verjagtem Nachwuchs
Walsrode, Mai 2022 – In der Vogelwelt lässt sich eine faszinierende Vielfalt an Arten, Lebensräumen und Verbreitungen entdecken. Doch mindestens genauso vielfältig sind die unterschiedlichen Familienformen, in denen die Vögel zusammenleben. Zum internationalen Tag der Familie berichten die Tierpfleger:innen des Weltvogelparks über ungewöhnliche Vogelfamilien und erklären warum man von scheinbar hilflosen Jungvögeln lieber die Finger lassen sollte.
Mit über 4.000 Vögeln aus 650 Arten und von allen Kontinenten ist der Weltvogelpark Walsrode nicht nur der größte Vogelpark der Welt, sondern auch das Zuhause vieler ungewöhnlicher Vogelfamilien. Im März begann die Hauptbrutzeit, die je nach Vogelart noch bis Ende September anhält. In dieser Zeit steht bei den Vögeln die Familie im Vordergrund. Dabei haben die verschiedenen Vogelarten alle eine ganz eigene Definition von Familie.
Klappern gehört zum Familienleben
Bei den Störchen legt sich das Männchen ordentlich ins Zeug – erst dann beginnt das Familienleben. Das Männchen kehrt zuerst aus dem Winterquartier zurück, bereitet das angestammte Nest (den Horst) vor und baut es weiter aus. Ein paar Wochen später folgt dann das Weibchen. Die Paarbindung bei Störchen dauert häufig mehrere Jahre. Bedingung dafür ist, dass beide Elternteile dem angestammten Nistplatz treu bleiben. Denn die Treue gilt dem Nest, nicht unbedingt der Partnerin oder dem Partner. Beim Bebrüten der Eier wechseln sich die Eltern übrigens ab. Beim Wechsel am Nest ertönt zum Erhalt der Paarbindung immer das bekannte Schnabelklappern.
Das kann im Weltvogelpark besonders eindrucksvoll beobachtet werden, und zwar ohne die an Menschen gewöhnten Tiere zu stören. „Der Weltvogelpark ist deutschlandweit eine der größten Ansiedlungen von Störchen. Die parkeigenen Storchenfamilien bleiben den Winter über bei uns, viele wild lebende Störche kommen jedes Jahr wieder. Und es kommen regelmäßig neue wilde Störche dazu. Bei den parkeigenen Störchen handelt es sich um flugunfähige Auffangtiere. Diese Tiere können ihr Nest nicht hoch oben auf Dächern oder Bäumen bauen und tun dies stattdessen auf dem Boden – aber auch dort immer noch auf dem höchsten Standort, der sich ihnen bietet! Der liegt direkt hinter dem Besucher:innenzaun. Das gibt den Besucher:innen die Möglichkeit, Storchenfamilien aus nächster Nähe zu beobachten und auch einen Blick ins Nest zu erhaschen. Es freut uns natürlich sehr, dass wir unseren Besucher:innen diese besondere Begegnungsmöglichkeit bieten können“, erklärt Anne Densow, Biologin im Weltvogelpark Walsrode.
Mittlerweile sind auch die ersten Jungtiere geschlüpft. Mit etwas Geduld kann man die Küken aus den Federn der Eltern hervorlugen sehen.
Mütterliche Fürsorge: Ein Weißstorch kümmert sich liebevoll um seinen Nachwuchs
Bild: Weltvogelpark Walsrode
Das Mehrgenerationennest
Auch im Vogelreich gibt es Arten, bei denen mehrere Generationen bei der Aufzucht der Jungen helfen und als Großfamilie zusammenleben. Oft handelt es sich bei den Bruthelfer:innen am Nest um Verwandte – Jungtiere aus vorangegangenen Generationen oder Geschwister des Elternpaares. Ein Beispiel dafür ist der afrikanische Elsterwürger. Dieser Vogel lebt in kleinen Familiengruppen, in denen immer nur ein Paar brütet. Das Paar baut zusammen sein Nest, die Eier werden allerdings nur vom Weibchen bebrütet. Die Nahrungsversorgung übernehmen das Männchen und der Nachwuchs der vorangegangenen Brut. Auch nach dem Schlüpfen der neuen Küken helfen die älteren Geschwister fleißig mit und versorgen diese ebenfalls mit Futter. Durch diese erfolgreiche Familienkooperation gelingen oft mehrere Bruten im Jahr, und die Anzahl der erfolgreich ausgeflogenen Jungen erhöht sich! Bei den europäischen Bienenfressern finden sich ebenfalls Helfer:innen am Nest – älterer Nachwuchs oder Geschwister des Brutpaares, die selbst nicht zur Brut kamen.
Groß werden ohne Eltern
Den Titel Rabeneltern hat das in Australien beheimatete Buschhuhn mehr als verdient. Die Küken müssen sich nicht nur allein den Weg aus dem Ei bahnen, sondern sind auch sofort nach dem Schlüpfen auf sich allein gestellt. Die Nachwuchsarbeit beschränkt sich auf den Nestbau und das Einhalten idealer Brutbedingungen am Nest. Zum Brüten nutzt das Buschhuhn nicht einmal seine eigene Körperwärme, stattdessen türmt das Männchen mit seinen kräftigen Klauen einen Berg aus Laub und Erde auf. Dieser kann bis zu einem Meter hoch und vier Meter breit sein. Im Inneren hält sich durch Zersetzungswärme so eine Temperatur von 31 bis 36° C. Bis zu 25 Eier mehrerer Weibchen können gleichzeitig in so einem Bruthügel liegen. Wenn die Küken nach ca. 50 Tagen schlüpfen, ist von familiärer Zuneigung nichts zu sehen. Im Gegenteil, die flugunfähigen Jungtiere werden sogar aktiv vom Bruthügel verscheucht. Wer im Weltvogelpark an der Fasanerie vorbeigeht, kann dort den beeindruckenden Bruthügel eines Männchens bewundern.
Gut ausgestattet: Die kräftigen Klauen des Buschhuhns eignen sich perfekt zum Graben
Bild: Weltvogelpark Walsrode
Vorbildlich und rabenschwarz
Apropos Raben: Im Weltvogelpark beginnen gerade die heimischen Kolkraben – die größten Singvögel weltweit – mit der Brut. Kolkraben sind sehr sozial und intelligent, bleiben sich ein Leben lang treu und gemeinsam in einem Revier. Das Zuchtpaar in der Uhuburg hat sein offenes Nest aus Stöckern gebaut, sodass man es von der oberen Ebene aus wunderbar beobachten kann. Beide Elterntiere brüten und kümmern sich später gemeinsam um die Jungen.
„Raben sind übrigens alles andere als Rabeneltern, sondern sehr fürsorglich im Umgang mit ihrem Nachwuchs“, verrät Ehrhardt. Der Begriff rühre wohl daher, dass Rabenjungvögel das Nest schon recht früh für erste Erkundungsspaziergänge und Flugversuche verlassen und dabei noch ganz schön unbeholfen wirken. Daraus leiteten die Menschen schon im Mittelalter ab, dass das ja wohl ganz schön schlechte Vogeleltern seien, die ihre Kinder schon derart früh aus dem Nest jagen. Dabei handelt es sich hierbei um eine wichtige Schutzfunktion – wenn Räuber:innen das Nest entdecken, würden sie wahrscheinlich alle Jungtiere töten. Dadurch, dass sich die Tiere aber an verschiedenen Orten aufhalten, erhöht sich die Chance, diese gefährliche Phase zu überleben. „Raben beobachten ihre Jungen bei diesen Ausflügen genau und stehen mit ihnen auch über Rufe in Kontakt. Die Eltern verteidigen ihren Nachwuchs gegen Feinde und versorgen sie zuverlässig mit Nahrung. Es ist deshalb ganz wichtig, vermeintlich hilflose Jungvögel nicht sofort anzufassen und zum Beispiel zur Tierärztin/zum Tierarzt oder zur Wildtierstation zu bringen. Das gilt nicht nur für Raben, sondern auch für andere Vögel und für viele Wildtiere. Erst wenn diese nach einer längeren Beobachtungszeit immer noch an ihrem Platz verharren, sollte fachkundiger Rat eingeholt werden. Expert:innen gehen davon aus, dass über die Hälfte der bei Wildtierstationen abgegebenen Tierkinder dort ohne einen vernünftigen Grund landen“, weiß Densow abschließend.
Eltern sehen alles: Auch außerhalb des Nestes haben Kolkraben ihren Nachwuchs immer im Blick
Bild: Weltvogelpark Walsrode
Über den Weltvogelpark Walsrode:
In der Lüneburger Heide, im Dreieck zwischen Hannover, Bremen und Hamburg, liegt der Weltvogelpark Walsrode, der größte Vogelpark der Welt. Der Park beherbergt über 4.000 Vögel aus 650 verschiedenen Arten und von allen Kontinenten in einer 24 Hektar großen Garten- und Erlebnislandschaft. Besucher:innen erleben spektakuläre Flugshows, Schaufütterungen, Vogelbabys und faszinierende Indoorattraktionen. Zudem sind sie eingeladen, spannende Themenhäuser, exotische Freiflughallen und artenreiche Vogelvolieren zu entdecken. Zwischendurch laden 320 Sitzbänke zum Entspannen und Genießen ein. Liebevoll angelegte Beete, großzügige Teichanlagen und exotische Pflanzen entführen in eine andere Welt – einfach mal die Seele baumeln und den Alltag links liegen lassen. Der magische Zauber unzähliger Baum- und Blumenarten bildet eine bunte und sich ständig verändernde Kulisse.
Für die kleinen Besucher:innen gibt es tolle Spielplätze und für die Erwachsenen kostenlose Parkplätze. Ein Restaurant, Imbisse und Eiswagen laden für den kleinen und großen Hunger zwischendurch ein. Das gesamte Areal ist behindertengerecht gestaltet. Wird ein Rollstuhl benötigt, kann er bei vorheriger Anmeldung kostenlos ausgeliehen werden. Da Hunde in den Park nicht mitgenommen werden dürfen, gibt es zusätzlich eine kostenlose Unterbringung für die Vierbeiner.
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