Please mind the (Gender Pay) Gap
“Ladies, wir müssen Gehaltsverhandlungen einfach üben”
Mannheim, 06.11.2018 – Können Frauen in Gehaltsverhandlungen nur verlieren? Das Gender Pay Gap von rund 21 % legt den Verdacht nahe. Aber ganz so leicht dürfen es sich die Frauen nicht machen, findet Berit Moßbrugger. Die Geschäftsführerin der Weiterbildungssuchmaschine kursfinder.de hatte in ihrer Karriere bislang nie mit dem Gender Pay Gap zu kämpfen. Warum? Ganz einfach: selbst ist die Frau. Verhandlungssicherheit ist gefragt. “Männer müssen auch verhandeln. Da können wir doch schlecht erwarten, dass der Extra-Lohn für uns vom Himmel fällt”, sagt die 36-Jährige.
Lohndiskriminierung! Das sitzt. Wenn Frau herausfindet, dass ihr männlicher Kollege bei gleicher Tätigkeit, Qualifikation und Erfahrung am Ende des Monats mehr auf dem Gehaltszettel stehen hat, schmerzt das. Lange lag der Verdacht nahe, dass das daran liegt, dass Frauen seltener ihr Gehalt verhandeln. Das ist ein Irrtum: In einer aktuellen Studie fanden Wirtschaftsprofessor Benjamin Artz und sein Team von der Universität Wisconsin-Oshkosh heraus, dass Frauen genauso häufig nach einer Gehaltserhöhung fragen, aber seltener eine bekommen. In der Studie, in der 4600 Angestellte verschiedener Branchen befragt wurden, freuten sich Männer in 20 % der Fälle über ein Lohnplus, bei Frauen waren es lediglich 15 %. Zwischen den Geschlechtern klafft eine Lücke von 5 %. Woher rührt diese?
“Wir müssen nicht von allen gemocht werden”
Berit Moßbrugger ist sich sicher, dass es wenig mit dem Geschlecht zu tun hat. Es liege viel mehr daran, wie selbstsicher Frauen in die Gehaltsverhandlungen reingehen. Da gibt es oft große Unterschiede zu Männern. Hört man sich bei Personalleitern um, geben sich Frauen in solchen Gesprächen oft nicht so souverän wie ihre männlichen Kollegen. Sie wollen nicht unfreundlich rüberkommen, zeigen nach außen weniger, wie hart sie arbeiten, neigen eher zu Tief- als zu Hochstapelei. “Frau muss das Bedürfnis ablegen, von allen gemocht und sympathisch gefunden zu werden – und dazu gehört es nun mal sportlich und souverän zu verhandeln, auch wenn das dem Chef vielleicht nicht passt”, erklärt Geschäftsführerin Moßbrugger.
Seminare im Bereich Verhandlungsgeschick oder Persönlichkeitsentwicklung können den Frauen einige Tools mit an die Hand geben. Doch das allein reicht nicht: Übung macht den Meister. “Wir Frauen müssen anfangen, mehr über Geld zu reden: mit Freundinnen, mit Bekannten, mit der Familie”, rät die 36-Jährige. Männer tauschten sich häufiger über Job-Themen aus. In Moßbruggers Augen haben sie deshalb genau einen Vorteil: Sie sind geübter. “Was Routine ist, kommt automatisch souveräner und sympathischer rüber”, ruft sie Frauen zum Üben auf.
Bereits zu Karrierebeginn hoch pokern
Je früher Frauen damit anfangen, desto besser. Studienleiter Benjamin Artz rät vor allem Berufseinsteigerinnen dazu, für einen höheren Lohn zu verhandeln: “Wenn sie ins Berufsleben mit einem niedrigeren Lohn einsteigen als ein Mann, der dieselben Voraussetzungen mitbringt, hat das einen Schneeballeffekt: Sie werden während ihrer ganzen Karriere einen niedrigeren Lohn bekommen.”
Es findet jedoch ein Wandel statt: Das Team um Artz fand heraus, dass die Unterschiede nicht auf alle Altersgruppen zutreffen: Junge Frauen würden – wenn sie danach fragen – gleichermaßen eine Gehaltserhöhung bekommen wie junge Männer. Der Ursache ist das Forschungsteam bislang nicht weiter auf den Grund gegangen. Doch die Erkenntnis lässt Berit Moßbrugger hoffen.
Im Zweifel anderweitig umschauen
Aber was, wenn alle Bemühungen vonseiten der Frauen nichts nützen? “Wenn eine kompetente und geeignete Frau einen Job nicht bekommt, weil sie gut verhandelt und der Boss sie deshalb unsympathisch findet, dann sollte sie dankbar für das klare Signal zum Weiterziehen sein”, findet die Chefin von kursfinder.de. Wirtschaftsprofessor Artz sieht das genauso: “Wenn Frauen nicht das bekommen, was sie verdienen, sollten sie keine Angst haben, zu gehen und anderswo nach einer passenden Stelle suchen, bei der sie angemessen entlohnt werden.”
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Vanessa Schäfer
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